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Quantz: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen

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4

Einleitung.

 

4. §.

  Das erste was zu einem, der ein guter Musikus werden will, erfordet
wird, ist: ein besonders gutes Talent, oder Naturgaben. Wer sich auf
die Composition legen will, muß einen muntern und feurigen Geist, der
mit einer zärtlichen Empfindung der Seele verknüpft ist; eine gute Ver-
mischung der sogenannten Temperamente, in welchen nicht zu viel Melan-
cholie ist; viel Einbildungs-Erfindungs-Beurtheilungs- und Entschei-
dungskraft; ein gut Gedächtniß; ein gutes und zartes Gehör; ein schar-
fes und fertiges Gesicht; und einen gelehrigen, alles bald und leicht fas-
senden Kopf, besitzen. Wer sich auf ein Instrument legen will, muß
ausser vielen von obengemeldeten Gemüthskräften, auch nach eines jeden
Instruments Eigenschaft, noch mit unterschiedenen Leibesgaben ausge-
rüstet seyn. Zum Exempel: ein Blasinstrument, und insonderheit die
Flöte, erfordert: einen vollkommen gesunden Körper; eine offene starke
Brust; einen langen Athem; gleiche Zähne, die weder zu lang noch zu
kurz sind; nicht aufgeworfene und dicke, sondern dünne, glatte und feine
Lippen, die weder zu viel noch zu wenig Fleisch haben, und den Mund
ohne Zwang zuschließen können; eine geläufige und geschikte Zunge;
wohlgestallte Finger, die weder zu lang, noch zu kurz, noch zu dickflei-
schig, noch zu spitzig, sondern die mit starken Nerven versehen sind; und
eine offene Nase, um den Athem sowohl leicht zu schöpfen, als von sich
zu geben. Ein Sänger muß mit dem Blasinstrumentisten die starke
Brust, den langen Athem und die fertige Zunge: ein Seyten- und Bo-
geninstrumentist aber, die geschikten Finger und starken Nerven gemein
haben; der erstere muß über dieses noch mit einer schönen Stimme, der
letztere aber mit geläufigen Gelenken der Hände und Arme begabet seyn.

5. §.

  Finden sich nun diese guten Eigenschaften bey einem Menschen; so
ist er zwar überhaupt zur Musik geschikt: allein, da die Naturgaben so
verschieden sind, und selten alle, in so reichem Maaß, bey einem Men-
schen einzukehren pflegen; so wird sich immer befinden, daß einer zu die-
sem, der andere zu jenem mehr aufgelegt ist. Z. E. Es kann einer ein
gutes Naturell zur Composition haben; zu Handhabung der Instrumente
aber nicht geschikt seyn: ein anderer kann viel Geschiklichkeit zu Instru-
menten besitzen; zur Composition aber gar keine Fähigkeit haben: ein an-
derer hat mehr Naturell zu diesem, als zu jenem Instrumente: ein ande-
rer hat zu allen Instrumenten; ein anderer zu keinem einzigen Geschik-
lichkeit.

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