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Quantz: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen

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Einleitung.

 
 

hen müssen, daß ein solches Werk nicht einen Anfänger, sondern einen
erfahrnen Componisten, und mehr Zeit als wenig Tage erfordert. Al-
lein die Componisten haben mehrentheils das Unglück, daß, wenn sie an-
fangen vernünftig zu schreiben, und das Wilde und Freche abzulegen,
man sie beschuldigt, sie hätten das Feuer verlohren: sie hätten sich er-
schöpfet; sie dächten nicht mehr so sinnreich; sie wären arm an Erfindung.
Es kann seyn, daß solches bey vielen eintrifft: wollte man aber die Sache
genau untersuchen, so würde man finden, daß dergleichen Unglück nur
den oben beschriebenen Componisten wiederfährt, welche die Setzkunst
niemals gründlich erlernet haben. Denn wo kein guter Grund vorhan-
den ist; da kann auch das Gebäude nicht lange Bestand haben. Ist aber
Talent, Wissenschaft und Erfahrung mit einander vereiniget, so wird
daraus ein solcher Brunnen, der nicht leicht zu erschöpfen ist. Es wird
ja in allen Handlungen, in allen Wissenschaften, und Profeßionen die
Erfahrung so sehr geachtet: warum denn nicht auch in der Musik, und
insonderheit in der Composition? Wer da glaubet, daß es in derselben
nur auf ein Gerathewohl und auf einen blinden Einfall ankomme, der ir-
ret sich sehr, und hat von dieser Sache nicht den geringsten Begriff.
Die Erfindungen und Einfälle sind zwar zufällig, und können durch An-
weisung nicht erlanget werden: die Säuberung und Reinigung, die Wahl
und Vermischung der Gedanken aber, sind nicht zufällig; sondern sie müs-
sen durch Wissenschaft und Erfahrung erlernet werden: und diese sind ei-
gentlich das Hauptwerk, wodurch sich der Meister vom Schüler unter-
scheidet, und woran es noch einer großen Anzahl von Componisten man-
gelt. Die Regeln der Composition, und was zum Satze gehöret, kann
ein jeder erlernen; ohne eben allzuviel Zeit darauf zu wenden. Der Con-
trapunct behält seine unveränderlichen Regeln, so lange als vielleicht Mu-
sik seyn wird: die Säuberung, Reinigung, der Zusammenhang, die
Ordnung, die Vermischung der Gedanken hingegen, erfodern fast bey
einem jeden Stücke neue Regeln. Es pfleget also denenjenigen, die sich
auf das Ausschreiben legen, oft fehl zu schlagen: so daß man bald mer-
ken kann, ob die Gedanken aus einem einzigen Kopfe ihren Ursprung
haben; oder ob sie nur auf eine mechanische Art zusammen gesetzet wor-
den sind.

15. §.

  In vorigen Zeiten wurde die Setzkunst nicht so gering geachtet, wie
in gegenwärtigen: Es wurden aber auch nicht so viel Stümper in dersel-
ben

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