Quantz: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen
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und eine Musik zu beurtheilen sey. |
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dern auch auf vielen Instrumenten, sehr weit gebracht hatten. Vom
guten Geschmacke aber, und von schönen Melodieen, findet man, außer einigen alten Kirchengesängen, wenig Merkmaale; sondern vielmehr daß sowohl ihr Geschmack, als ihre Melodieen, länger als bey ihren Nach- barn, ziemlich platt, trocken, mager, und einfältig gewesen. |
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79. §. |
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Ihre Composition war, wie gesagt, harmonisch und vollstimmig;
aber nicht melodisch und reizend. Sie sucheten mehr künstlich, als begreiflich und gefällig; mehr für das Gesicht, als für das Gehör zu setzen. Die ganz Alten brachten, in einem ausgearbeiteten Stücke, zu viele und zu überflüßige Cadenzen nach einander an: indem sie fast aus keiner Tonart in die andere, ohne vorher zu cadenziren, auszuweichen pflege- ten: durch welche Aufrichtigkeit aber das Gehör selten überraschet wurde. Es fehlete ihnen an einer guten Wahl und Verbindung der Gedanken. Die Leidenschaften zu erregen und zu stillen, war ihnen etwas un- bekanntes. |
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80. §. |
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In ihrer Singmusik sucheten sie mehr die bloßen Wörter, als
den Sinn derselben, oder den damit verknüpfeten Affect, auszudrücken. Viele glaubeten dieserwegen schon eine Gnüge geleistet zu haben, wenn sie z. E. die Worte: Himmel und Hölle, durch die äußerste Höhe und Tiefe ausdrücketen: wodurch denn oft viel Lächerliches mit unterzulaufen pflegete. In Singstücken liebten sie sehr die äußerste Höhe, und ließen in derselben immer Worte aussprechen. Hierzu mögen die Falsetstimmen erwachsener Mannespersonen, welchen die Tiefe gemeiniglich beschwer- lich ist, einige Ursache gegeben haben. Den Sängern gaben sie unter geschwinden Noten viele Worte nach einander auszusprechen; welches aber der Eigenschaft des guten Singens zuwider ist, den Sänger ver- hindert die Töne in ihrer gehörigen Schönheit hervor zu bringen, und sich von der gemeinen Rede allzuwenig unterscheidet (*). Ihre Sing- arien bestunden mehrentheils aus zwo Reprisen; sie waren sehr kurz; aber auch sehr einfältig und trocken. (*) Obgleich einige wenige Deutsche, durch Nachahmung des italiänischen Geschma- ckes, diesen Fehler, welcher nur in der komischen Musik eine Schönheit ist, ab- geleget haben: so ist er doch, auch zu itziger Zeit, noch nicht gänzlich ausge- rottet. |
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Wie |
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