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Quantz: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen

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Einleitung.

 
  Wie viele sind nicht unter diesen, welche Talent haben, fleißig sind, und
sich vor andern hervorthun, auch öfters würdig und fähig wären, einem
Orchester mit Nutzen vorzustehen; dabey aber das Unglück empfinden
müssen, aus Eifersucht, Geldbegierde, und unzähligen andern Ursachen
unterdrücket und verhindert zu werden, daß ihr Talent zu keiner Reife
gelangen kann. Nur diejenigen, welche bey ihrer Lust zur Musik, keine
ausnehmenden Gaben dazu besitzen, können sich dieses zum Troste mercken,
daß wenn ihnen auch die Natur nicht gestattet, grosse Lichter der Musik
zu werden; sie dennoch, wenn sie nur gute Ripienisten abzugeben sich be-
mühen, sehr nützliche Leute seyn können. Wem aber eine ganz hölzerne
und unempfindliche Seele, ganz plumpe Finger, und gar kein gut musi-
kalisch Gehör zu Theil worden ist, der thäte besser, wenn er anstatt der
Musik eine andere Wissenschaft erlernete.

8. §.

  Wer in der Musik vortrefflich werden will, muß ferner eine unermü-
dete unaufhörliche Lust, Liebe, und Begierde, weder Fleiß noch Mühe
zu ersparen, und alle, bey dieser Lebensart vorkommenden Beschwerlich-
keiten, standhaft zu ertragen, bey sich empfinden. Die Musik giebt sel-
ten solche Vortheile, als andere Wissenschaften geben: und sollte es auch
noch einigen dabey glücken, so ist doch solches Glück mehrentheils der Un-
beständigkeit unterworfen. Die Veränderung des Geschmacks, das Ab-
nehmen der Kräfte des Leibes, die verfliegende Jugend, der Verlust eines
Liebhabers von welchem das Glück vieler Musikverständigen abhänget,
sind alle vermögend, den Wachsthum der Musik zu verhindern. Die
Erfahrung bestätiget dieses zur Gnüge; wenn man nur etwas über ein
halbes Jahrhundert zurückdenket. Wie viele Veränderungen sind nicht
in Deutschland in Ansehung der Musik vorgefallen? An wie viel Höfen,
in wie viel Städten ist nicht ehedem die Musik im Flor gewesen, so daß so
gar daselbst eine gute Anzahl geschickter Leute erzogen worden; wo in ge-
genwärtigen Zeiten in diesem Puncte nichts als Unwissenheit herrschet.
An den meisten Höfen, welche ehemals noch, theils mit sehr berühmten,
theils mit ziemlich geschikten Leuten versehen gewesen, nimmt es itziger
Zeit leider überhand, daß die ersten Stellen in der Musik, mit solchen
Menschen besetzet werden, die in einer guten Musik kaum die letzte Plätze
verdieneten; mit Leuten, denen das Amt zwar bey Unwissenden, die sich
durch den Titel blenden lassen, einiges Ansehen zu wege bringt; welche
aber weder dem Amte Ehre machen, noch der Musik Vortheil schaffen,
noch

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